Wirkung braucht Vertrauen
Die isb-online.org-Redaktion führte anlässlich des Jahreswechsels ein ausführliches Interview mit Kristina Unsleber und Sebastian Bauer. Die Mitglieder des Vorstands blicken auf das Jahr 2021 zurück und wagen einen Ausblick auf das Jahr 2022.
Zum Einstieg möchten wir traditionell auch in diesem Jahr nach der Schlagzeile für das abgelaufene Jahr fragen.
Kristina Unsleber: Wirkung braucht Vertrauen. Dass unser Engagement enorme Wirkung entfaltet, sieht man vor allem auch in der Krise. Hier zeigt sich, dass die Art und Weise, wie unser Verein gesellschaftliche Herausforderungen löst, nicht nur ein zukunftsfähiger ist, sondern manchmal die einzige, die überhaupt noch funktioniert hat. Wir leben also vielleicht bereits zu einem großen Stück in einer solchen Zukunft. Umso mehr wundern wir uns über den Aufwand, den uns Skeptiker seit unserer Gründung und immer noch verursachen. Diesen Aufwand noch zusätzlich in unseren Programmen den Kindern und Jugendlichen angedeihen zu lassen, wäre doch viel angenehmer.
Welche sind Ihre persönlichen Highlights aus dem Jahr 2021?
Sebastian Bauer: 14 Jahre nach Gründung unseres Vereins so weit gekommen zu sein – trotz, oder vielleicht auch gerade wegen mancher Skeptiker – wo genau, erleben wir immer wieder in bestimmten Situationen. Im vergangenen Jahr durfte ich so einen Moment genießen: Auf unserer ersten Auslandsreise im Juli nach Spanien hatten ISB-Referenten die Aufgabe, Themen zum strategischen Management von Jugendorganisationen gemeinsam mit unseren internationalen Partnern zu erarbeiten. Das sind nicht irgendwelche Partner, sondern ihrerseits wiederum diejenigen Sportvereine, von den Top-Sportuniversitäten ihrer Herkunftsländer als vorbildhaft für soziales Engagement im Sport hervorgehoben wurden. Im Nachgang zu dieser Veranstaltung durften unsere Kollegen viel Lob erfahren. Lob vor allem dafür, dass genau diese – sagen wir einmal „soziale Champions League“ noch viel mehr an diesem Erfahrungsaustausch wachsen konnten. Wäre es vermessen, uns im Feld des Sports als „Sozial-Europameister“ zu bezeichnen?
Kristina Unsleber: Mein persönliches Highlight setzt sich aus den vielen kleinen Meilensteinen zusammen. Da zählt sicherlich auch das Intensivieren unseres internationalen Wirkens dazu. Mit Unterstützung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt können wir nun aber auch unsere überregionale Tätigkeit wieder verstärken, die Aktion Mensch ermöglicht für weitere zwei Jahre das Wirken unseres Programms „Bunt punktet“ und mit dem Markt Werneck konnten wir ebenfalls für weitere zwei Jahre unsere Kooperation in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit verlängern. In Wasserlosen sind wir nach sechs Jahren Abwesenheit wieder an unsere alte Wirkungsstätte zurückgekehrt und konnten dort die Kooperation mit der Grundschule Wasserlosen im Rahmen der Mittagsbetreuung wiederaufnehmen. Auch die Ferienangebote konnten ausgebaut werden. Ich erlebe diese konsequente Weiterentwicklung, die wir trotz Krise und trotz all der Hürden schaffen, auch als eine Art Auszeichnung für das Engagement, das wir alle Woche für Woche an den Tag legen.
Was passiert abgesehen von den eben beschriebenen Highlights im täglichen Geschäft?
Kristina Unsleber: Wir haben viele Meilensteine erreicht und Weiterentwicklung vorangetrieben, auf der anderen Seite in unseren bestehenden Betrieben vor Ort aber auch in verstärktem Maße eine Fokussierung auf gute Zweckerreichung erlebt.
Positiv stimmen mich die Erkenntnisse unserer Auszubildenden Sina Morell, die im Rahmen ihrer Bachelorarbeit die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Ausdauerleistungsfähigkeit der Kinder aus unseren Grundschul-Standorten untersucht hat. Ergebnis: Bei den Kindern, die unsere Angebote nicht besuchen, ging die Leistungsfähigkeit zurück, wohingegen die Kinder, die während des Lockdowns unsere Angebote regelmäßig besucht haben, ihre Ausdauerleistungsfähigkeit nicht nur halten, sondern sogar signifikant steigern konnten. Wir geben zu, das Ergebnis hat uns in der Deutlichkeit überrascht, macht uns aber gleichzeitig auch ein wenig stolz.
So eine Fokussierung bedarf aber manchmal auch unangenehmer Schritte. Im vergangenen Jahr mussten wir einen ganzen Standort schließen. Zufrieden stimmt mich in diesem Zusammenhang, dass der Verein wegen dieser Betriebsstillegung weder finanziell noch personell in Schieflage geriet und uns sogar die Kinder treu bleiben. Über das zahlreiche Wiedersehen bei unseren Ferienangeboten haben wir uns sehr gefreut!
Sebastian Bauer: Eine solche Mitgliedertreue und den darüberhinausgehenden Mitgliederzuwachs trotz Krise erleben wir wohl als einziger Verein in diesem Ausmaß. Und wir wären nicht der ISB, wenn wir nicht eine ganz eigene Art entwickeln würden, damit umzugehen: Für die große Zahl an vor allem jungen Mitgliedern haben wir eigens unsere Statuten geändert und mit einem Delegiertensystem Mitbestimmung und Partizipation auf einem für Schweinfurt einzigartigen Niveau etabliert: So bestimmen junge Menschen bereits ab dem Alter von 5 Jahren nicht nur über ihre Vertreter bis hin zu Aufsichtsratsmitgliedern, sondern auch über die Verwendung von Jugendhaushalten, vergleichbar wie in Kommunen die sogenannten Bürgerhaushalte. Damit fördern wir ganz nebenbei noch erfolgreich das demokratische Miteinander, was in diesen Zeiten nicht zu vernachlässigen ist. Das ermöglicht uns die Summe von ca. 27.000 Euro ideeller Grundförderung, die auch durch diese Mitgliederzahl gegenüber der Verwaltung der Stadt Schweinfurt und des Stadtjugendrings eingeworben werden kann. Inzwischen können auch wir diese Größenordnung als nennenswert bezeichnen und bedanken uns.
Und durch diese Ausstattung mit öffentlichen Mitteln fühlen wir uns noch stärker verpflichtet, uns intensiv mit Fragen der sogenannten Good Governance auseinanderzusetzen und uns auch hier noch besser aufzustellen. Inzwischen begleiten uns renommierte Kanzleien in Themen wie Compliance oder Datenschutz. Gerade in einer Stadt wie Schweinfurt schadet es nicht, hier nach vorne gerichtet neue Maßstäbe zu setzen, auch als gemeinnützige Organisation.
Zum Abschluss: Was sind Ihre Pläne und Wünsche für das Jahr 2022?
Sebastian Bauer: Mein größter Wunsch für 2022 ist es, zukünftig nicht mehr rund ein Viertel unserer ideellen Grundförderung an Rechtsanwälte bezahlen zu müssen, um diese Zuschüsse schlussendlich auch zu erhalten. Dies war gerade in den Krisenjahren nämlich die unrühmliche Quote. Der Förderzweck und eine entsprechende Konsistenz sollte auch durch die Verwaltungen der Fördermittelgeber noch stärker in den Fokus gerückt werden. Wir jedenfalls reichen ausdauernd die Hand, um Zusammenarbeit noch vertrauensvoller zu gestalten.
Kristina Unsleber: Die vergangenen Monate verlangten uns eine enorme Kraftanstrengung ab, die wohl immer noch in hohem Maße auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind: Regelungen ändern sich weiterhin häufig und fordern eine hohe Agilität, auch bei uns ist eine erhöhte Quote an krankheitsbedingter Fehlzeiten zu verzeichnen und nicht zuletzt sind die Auswirkungen der Lockdowns auf Verhalten und Gesundheit vieler Kinder zum Teil sehr deutlich spürbar. Viele junge Menschen wurden in der Krise abgehängt – gerade dann, wenn sie zu Hause nicht die Unterstützung erfahren konnten, die es für eine solche Ausnahmesituation benötigt. Bei diesen Kindern und Jugendlichen dranzubleiben, um sie nicht gänzlich zu verlieren und Defizite Stück für Stück aufzuholen, kostet häufig viel Kraft.
Wir sind froh, diese herausfordernde Zeit bisher so gut gemeistert zu haben. Gleichzeitig nimmt aber durch diese Situation auch körperliche und auch psychische Beanspruchung unter den Kolleginnen und Kollegen zu. Damit wir dauerhaft so leistungsfähig bleiben, wie wir es bisher stets gewesen sind, haben uns daher vorgenommen, uns im Jahr 2022 intensiver mit Möglichkeiten der Erholung für unsere Mitwirkenden auseinanderzusetzen. Zum Beispiel denken wir da an ein ISB-Erholungsheim oder ähnliches.
Gleichzeitig ist für uns aber auch klar: Die erhöhte Beanspruchung ist zu sehr großen Teilen auf die Pandemie zurückzuführen. Um aus dieser Krise als Gesellschaft langfristig wieder herauskommen zu können, sehen wir nur einen Weg: Impfen, impfen, impfen. Wir sind froh und dankbar, dass unsere Kolleginnen und Kollegen diese Haltung so tatkräftig unterstützen. Tatsächlich sind wir wohl einer der Impf-Spitzenreiter in Schweinfurt, fast 100 Prozent unserer Mitarbeitenden sind geimpft.
So bleibt mein Wunsch für 2022: hohe Impfbereitschaft und viel Gesundheit für alle für das neue Jahr!
Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.